Ohne Sicherheitsperson an Bord: Forschungsprojekt entwickelt Konzepte für selbstfahrende Autos  

Abschluss des Forschungsprojekts SAFESTREAM zur Entwicklung automatisierter Fahrfunktionen sowie einer „Technischen Aufsicht“, die aus der Ferne eingreifen kann: „Wir sind einen entscheidenden Schritt hin zu einem sicheren Betrieb von automatisierten Fahrzeugen gegangen“, sagt einer der Projektverantwortlichen Arwed Schmidt, Geschäftsführer der EasyMile GmbH. Die Anwendung gilt als zentral für die Zukunft eines leistungsfähigen öffentlichen Personenverkehrs.

Kelheim, 24.07.25 – Automatisierte Fahrzeuge sind in Deutschland bereits im Einsatz, bisher muss jedoch stets ein verantwortlicher Mensch zur Sicherheit mit an Bord sein. An dem Ziel komplett fahrerloser Fahrzeuge, etwa Busse im öffentlichen Personenverkehr (ÖPNV), hat das Projekt SAFESTREAM in einer dreijährigen Forschungs- und Entwicklungsphase gearbeitet – und konnte wichtige Schritte für einen sicheren Betrieb von automatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Raum gehen. Der Hintergrund: Automatisierte Fahrzeuge sind eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft eines leistungsfähigen ÖPNV: Sie versprechen mehr Flexibilität, geringere Betriebskosten und ein zuverlässiges Angebot – auch in ländlichen Regionen und zu Nebenverkehrszeiten.

Die Technische Aufsicht greift aus der Ferne ein

Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) im Rahmen des Förderprogramms „IKT für Elektromobilität“ geförderte Projekt SAFESTREAM arbeitete an verlässlichen und rechtskonformen Gesamtsystemen – bestehend aus fahrerlosen Fahrzeugen und einer sogenannten Technischen Aufsicht (TA). Die TA greift aus der Ferne über Videokameras und Steuerungssignale ein, wenn automatisierte Fahrzeuge an ihre Systemgrenzen stoßen und menschliche Entscheidungen erforderlich werden.

„Durch SAFESTREAM wurden zentrale Bausteine für eine skalierbare und gesetzeskonforme Technische Aufsicht geschaffen – ein entscheidender Schritt hin zu einem sicheren Betrieb von automatisierten Fahrzeugen“, sagt Arwed Schmidt, Geschäftsführer EasyMile GmbH. „Die gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für kommende Realbetriebe“, so Schmidt.

Schwerpunkt für die Projektpartner EasyMile, Stadt Monheim am Rhein, Landkreis Kelheim, T-Systems, Technische Universität München, TÜV Rheinland und P3-Group war es, den gesetzlichen Anforderungen an die TA sowie das automatisierte Fahren gemäß § 1d StVG (Straßenverkehrsgesetz) gerecht zu werden – und diese in einem Gesamtsystem so auszugestalten, dass sie für den großflächigen Einsatz fahrerloser Fahrzeuge im ÖPNV geeignet sind.

Test im Straßenverkehr fiel aus, aber künftige Pilotprojekte nun möglich

Die ursprünglich vorgesehene Erprobung im öffentlichen Verkehrsraum konnte mangels verfügbarer Fahrzeuge mit geeigneter SAE-Level-4-Hardware nicht umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um die technische Ausstattung, die ein Fahrzeug für vollautomatisiertes Fahren in definierten Einsatzbereichen ohne Fahrereingriff benötigt. Jedoch ließen sich im privaten Testumfeld, in Simulationen sowie in skalierten Testumgebungen zentrale Erkenntnisse gewinnen, die eine künftige Nutzung skalierbarer TA-Lösungen in Pilotbetrieben und Realanwendungen ermöglichen.

Auf SAFESTREAM aufbauende Arbeiten sollten den Fokus auf die Produktreife notwendiger technologischer Komponenten und die Weiterentwicklung der Marktperspektiven für das automatisierte Fahren im öffentlichen Raum richten. Neben einer skalierbaren Technischen Aufsicht, um automatisierte Mobilität sicher und wirtschaftlich in die Fläche zu bringen, sind breite Anwendungsfallkategorien für die Technologie notwendig.

Die wichtigsten Ergebnisse von SAFESTREAM im Überblick:

  • Architektur und Schnittstellenmodell der skalierbaren TA: Das SAFESTREAM-Konsortium spezifizierte und implementierte in enger partnerschaftlicher Zusammenarbeit eine prototypische, skalierbare und modulare Architektur, die die gesetzlichen Anforderungen an die Interaktionen zwischen Fahrzeugen und TA erfüllt und auf den dauerhaften Betrieb größerer Fahrzeugflotten unterschiedlicher Hersteller und Betreiber ausgerichtet ist.
  • Bewertungskonzept für Genehmigung: Im Rahmen von SAFESTREAM wurden Prüfverfahren für die automatisierten Fahrzeuge und die TA zur Verwendung innerhalb von Genehmigungsverfahren entwickelt.
  • Erprobung im kontrollierten Umfeld: Die Interaktion zwischen Fahrzeug und Technischer Aufsicht wurde in realitätsnahen Szenarien auf abgesperrten Testflächen in Monheim und Kelheim getestet. Mittels eines Simulators wurde darüber hinaus die gesetzeskonformen Interaktion nach AFGBV (Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung) und StVG zwischen einem SAE-Level-4-Fahrzeug und der TA gezeigt und die prototypische Plattform demonstriert.
  • Betriebliche und wirtschaftliche Betrachtung: Das Projekt liefert fundierte Rollendefinitionen inklusive Aufgabenverteilung und Vorschläge zum wirtschaftlichen Betrieb (Total-Cost-of-Ownership) von Level-4-Gesamtsystemen.  

Über SAFESTREAM:
Das Forschungsprojekt SAFESTREAM („Entwicklung und Demonstration eines Gesamtsystems zum Betrieb von elektrischen Kraftfahrzeugen mit automatisierter Fahrfunktion in festgelegten Betriebsbereichen ohne Sicherheitsbegleiter​“) wurde im Rahmen des BMWE-Förderprogramms „IKT für Elektromobilität“ gefördert. Projektlaufzeit: 08.2022 bis 07.2025. Weitere Informationen unter: https://safestream.tech

Über „IKT für Elektromobilität“

Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind Schlüsseltechnologien für die Elektromobilität. Mit ihnen werden inzwischen alle wichtigen Funktionen im Elektrofahrzeug gesteuert und sie bilden gleichzeitig die Grundlage für die Integration der Fahrzeuge in zukünftige intelligente Energie- und Verkehrssysteme. Ziel des BMWE-Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ ist es, die Entwicklung und Erprobung IKT-basierter Lösungskonzepte und innovativer Systemlösungen der Elektromobilität zu fördern und dabei die verschiedenen Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle intelligent miteinander zu vernetzen.

SAFESTREAM-Projekt zur Beschleunigung des autonomen Fahrens auf SAE Level 4 im öffentlichen Verkehr in Deutschland gestartet

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat einem Konsortium von deutschen Experten im Bereich des autonomen Fahrens 8,9 Millionen Euro für das Projekt SAFESTREAM zugesprochen. Zusätzlich investieren die Konsortialpartner 6,9 Millionen Euro ins Projekt. Ziel ist es, den Betrieb fahrerloser öffentlicher Verkehrsmittel auf SAE Level 4 (d. h. ohne menschliche Aufsichtsperson an Bord) voranzutreiben.

Beteiligt sind der autonome Shuttle-Anbieter EasyMile als Konsortialführer und die Partner T-Systems für die Deutsche Telekom, TÜV Rheinland, P3, die Technische Universität München (TUM) sowie die Landkreis Kelheim und Bahnen der Stadt Monheim.

Das Projekt baut auf dem bereits heute hochautomatisierten Betrieb der Shuttlebusse im öffentlichen Nahverkehr von Kelheim und Monheim am Rhein auf. Es ist ein entscheidender Schritt, um den Erfolg des Level-4-Betriebs des öffentlichen Verkehrs in Deutschland unter Beweis zu stellen, denn der Zuspruch und die Nutzung von autonomen öffentlichen Verkehrsmitteln gewinnen in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Deutschland hat Anfang des Jahres seinen Rechtsrahmen für autonomes Fahren fertiggestellt und SAFESTREAM wird sich auf diese neue Gesetzgebung stützen.

Das Ziel des Projektes ist es, den derzeit erforderlichen Sicherheitsbegleiter in den Fahrzeugen in Kelheim und Monheim am Rhein rechtskonform durch eine physisch nicht im Fahrzeug anwesende Technische Aufsicht abzulösen. Dies gilt es im Betrieb des Shuttle-Services zu demonstrieren.

Der Verzicht auf einen Sicherheitsbegleiter im autonomen Personenfahrzeug setzt dabei die Aufrechterhaltung des gleichen Sicherheitsniveaus für andere Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer voraus. So ergeben sich durch den autonomen Betrieb Vorteile wie beispielsweise eine höhere Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit des Services.

Um die Projektziele zu erreichen, wird die Rolle einer Technischen Aufsicht im Einklang mit den Anforderungen der AFGBV (Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung) definiert und implementiert. Die Ergebnisse und Herausforderungen werden in einem Leitfaden zusammengefasst, der weiteren Städten und Gemeinden in Deutschland helfen soll, die kosteneffiziente Einführung von autonomen Mobilitätslösungen im öffentlichen Raum zu beschleunigen.

Das SAFESTREAM-Konsortium hat bereits im August letzten Jahres mit der Zusammenarbeit begonnen. Für 2024 sind erste Tests auf den öffentlichen Straßen in Kelheim und Monheim am Rhein geplant. Bis dahin werden die erforderlichen Systeme und Software-Lösungen entwickelt, evaluiert und geprüft. Dies soll die Inbetriebnahme eines für den Straßenverkehr und alle Verkehrsteilnehmer sicheren Gesamtsystems auf Basis der AFGBV gewährleisten.

Dadurch wird bis 2025 eine Grundlage für skalierbare Flottenlösungen geschaffen, die zu einer substanziellen Verbesserung des ÖPNV durch deutlich attraktivere, besser zugängliche und verkehrstechnisch effizienter steuerbare Mobilitätsangebote führen. Diese umfasst sowohl technische und organisatorische Konzepte (Fahrzeug, Software, Technische Aufsicht), ökonomische Bewertungen (verändertes Mobilitätsprofil, verbesserte Flächennutzung in Städten, Vermeidung von überdimensionierten Verkehrslösungen) als auch wissenschaftliche Erkenntnisse (Mobilitätsverhalten, Sicherheit autonomer Systeme im Straßenverkehr, verbesserte Fahrzeugkonzepte).

TUM:
„Die Technische Aufsicht wird die Aufgaben des Sicherheitsbegleiters aus der Ferne übernehmen und das Fahrzeug bei Herausforderungen von einem Remote-Arbeitsplatz aus unterstützen. Dabei lässt der Lehrstuhl in SAFESTREAM seine Erfahrungen aus bisherigen Projekten und der Forschung im Bereich der Teleoperation einfließen und konzipiert den Einsatz der Technischen Aufsicht mit intelligenten Algorithmen und Methoden.“, sagt Frank Diermeyer, akademischer Oberrat des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik (FTM) und Leiter der Forschungsgruppe für Teleoperation der TUM.

TÜV Rheinland:
„Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von innovativen Mobilitätslösungen ist die Gewährleistung der Sicherheit aller Beteiligten. TÜV Rheinland wird daher innerhalb von SAFESTREAM ein Bewertungskonzept entwickeln, das das Gesamtsystem wie auch die einzelnen Teilsysteme des autonomen Fahrzeuges und die neue, im StVG definierte Rolle der technischen Aufsicht berücksichtigt und damit die möglichen Voraussetzungen für die Zulassung der zu entwickelnden Lösung für den Betrieb auf öffentlichen Straßen schafft.“, sagt Rico Barth, verantwortlich für Vernetztes und Automatisiertes Fahren bei TÜV Rheinland.

P3 automotive GmbH:
„Wir freuen uns im Projektvorhaben SAFESTREAM eine bedeutende Rolle innerhalb des Konsortiums einzunehmen und übernehmen dabei vorrangig die Gesamtprojektkoordination sowie die Steigerung der Skalierungsfähigkeit und Effizienz autonomer Mobilität anhand eines wirtschaftlichen Verwertungskonzepts. P3 sieht sich zudem als Katalysator für eine große Verbreitung des SAFESTREAM Konzepts in Deutschland und Europa und blickt motiviert in Richtung Zukunft.“, sagt Marco Dargel, Partner für den Bereich Autonomes Fahren bei P3.

EasyMile:
„Der Verzicht auf einen Sicherheitsbegleiter unter Achtung höchster Sicherheitsstandards stellt einen der wesentlichen Entwicklungsschritte des autonomen Fahrens dar. Durch einen systematischen Ansatz verspricht SAFESTREAM zukünftig wirtschaftlich skalierungsfähige Regelbetriebe autonomer Verkehrssysteme im öffentlichen Raum zu ermöglichen. EasyMile als Konsortialführer ist stolz auf den Erhalt des Vertrauens und der Förderung zur erfolgreichen Umsetzung dieses Projektes.“, sagt Dr.-Ing. Arwed Schmidt, Director Strategic Initiatives – Passenger Transportation EasyMile.

Landkreis Kelheim:
„Für einen nachhaltigen Mobilitätswandel und eine höhere Nutzung des ÖPNV in unserem Landkreis muss sich die Qualität des Verkehrsangebotes deutlich verbessern. Ein echter Level 4 Betrieb unserer Verkehre wird uns zukünftig in die Lage versetzen, ein attraktives Mobilitätsangebot bereitzustellen, welches kundenzentriert und langfristig finanzierbar ist.“, sagt Martin Neumeyer, Landrat im Landkreis Kelheim.

Bahnen der Stadt Monheim GmbH:
„Autonome Mobilität auf Level 4 ist ein wichtiger Meilenstein für Monheim am Rhein und die Umgebung, da wir solche Angebote in unserem gesamten Versorgungsgebiet ausbauen wollen. Sie ist der Grundstein für die Entwicklung neuer autonomer Routen sowie weiterer Mobilitätsangebote. Zusammen werden diese einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrswende in und um unsere Stadt herum leisten.“, so Frank Niggemeier-Oliva, Geschäftsführer der Bahnen der Stadt Monheim.

T-Systems:
“Eine skalierbare Plattform für die technische Aufsicht hochautomatisierter Fahrzeuge im öffentlichen Bereich sind neben einem modernen 5G-Netz der Schlüssel, um die Mobilitätswende mit fahrerlosen Shuttles gerade in ländlichen Bereichen zu ermöglichen und effizient voranzutreiben.”, sagt Christer Neimöck, Projektleiter und verantwortlich für die Geschäftsentwicklung automatisiertes Fahren bei T-Systems.